Der Kalte Krieg
Heinz Wagner erzählt von der Vergangenheit und erklärt die Gegenwart
Zwischen Oktober und November nerven Radiomoderatoren und TV-Mittagsmagazine gerne mit Umfragen, deren Ergebnis schockieren soll: die heutige Jugend wisse nicht mehr, was das Kürzel DDR bedeute. Was DDR bedeutet könnte ich beantworten, oder von wann bis wann sie existierte, auf welches Datum Mauerfall und Wiedervereinigung fallen, oder wer Honecker war. Vermutlich würden die Reporter dann von mir ablassen und meine Antworten nicht verwenden. Bei oberflächlichen Volksumfragen wird viel mehr nicht verlangt. Aber um sich auf eine detailliertere Prüfung vorzubereiten, vielleicht eine mündliche Prüfung im Abitur oder im Studium, sollte schon ein bisschen mehr zusammenhängendes Wissen vorhanden sein. Solche komplexen Themen lerne ich am liebsten auditiv, sprich: ich liege passiv auf der Couch und lasse sie mir erzählen.
Dazu habe ich mir diese drei CDs in doppelter Spielfilmlänge besorgt. Sie beginnen mit einem Geräusch-Mix, schabend wie ein unprogrammierer Satellitenreceiver, kombiniert mit dem Frequenzkrach eines Radios auf der Suche nach einem Kanal. Daraus hervor dringt dann Ronald Reagan bei seiner Rede vorm Brandenburger Tor 1987: »Mr. Gorbachev, tear down this wall!«, was wiederum in eine kurze, unattraktive Elektro-Pop-Sequenz übergeht.
Es klingt eigentlich wie eine dramatische Einleitung zu einer Nachrichtensendung. Und es ist die Ankündigung dessen, was kommt: keine leicht verständliche Erzählung, nicht u nbedingt ein atmosphärisches Unterhaltungshörspiel mit 167 Minuten Dauer.
»Als der 2. Weltkrieg im Mai 1945 zu Ende ging, verhinderten die ideologischen Gegensätze der kommunistischen und kapitalistischen Supermächte eine gemeinsame Gestaltung des Friedens.«
Der erste Satz: schnell gelesen, recht kompliziert, eindeutig konzentrationserfordernd. Aber was hat man von einer CD-Box mit dieser Umschlagsgestaltung zu erwarten? Marode Buchstaben, vor dem Atompilz über Nagasaki, wiederum davor ins Bild montiert eine zweite, aktive Rakete. Das Bild ist repräsentativ für den Beginn des kalten Kriegs: Präsident Trumans Ziel nach der Niederlage Deutschlands war es, die kommunistische Ausbreitung in Europa zu verhindern. Der Anschlag auf Japan diente wohl nicht nur dazu, Japans Kapitulation zu beschleunigen, sondern war auch eine gezielte Machtdemonstration an die UdSSR.
Dr. Heinz Wagner beginnt damit, den groben Verlauf des Kalten Krieges zusammenzufassen. Anschließend erzählt er detailliert die Vorgeschichte seit dem Ende des ersten Weltkrieges nach, samt der Stationen, Zusammenhänge und Expansionen: der Koreakrieg und die Kubakrise, der Mauerbau seit 1961, die Ausweitung des Kommunismus auf Asien mit der Volksrepublik China und dem Höhepunkt des vier Jahrzehnte andauernden Rüstungswettlaufs in den 80ern, bis zum Ende des kalten Krieges und dem Ende der Sowjetunion. Wagner schließt damit, über die Auslöser des Wandels nachzudenken. »Mehr als 15 Jahre nach dem Ende des kalte Krieges zeichnet sich möglicherweise ein neuer kalter Krieg ab«. Und er resümiert, dass die Welt sich dem Ende der Ära USA nähere.
Der kalte Krieg ist ein Hörbuch, dem man konzentriert zuhören muss. Die Sprache ist voll von Fremd- und Fachwörtern, sachlich und rasch voranschreitend. Wenn ich zum Abi mündlich zu diesem Thema befragt worden wäre, dann wäre dies die ideale Vorbereitung gewesen - mit allen geschichtlichen Bezügen und Querverweisen und den Aussagen involvierter Personen. Aber selbst wenn man sich nicht auf eine Prüfung vorbereiten muss - dieses Hörbuch erklärt unsere Gegenwart: die Globalisierung, den Aufstieg Chinas, den Terrorismus im Nahen Osten, den sukzessiven Niedergang des Westens. Bis ich all diese verwickelten Umstände erinnern und rekonstruieren kann, muss ich die drei CDs allerdings noch ein paar Mal durchlaufen lassen.
- Veröffentlicht:
- Medium:
- Hörbuch
- Autor:
- Heinz Wagner
- Verlag:
- Komplett Media
- Kommentar:
- Schwierig, aber sehr lehrreich
- ISBN:
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