Die Macht der sechs Steine

Bang! Wumm! Wusch! Matthew Reillys flacher Hollywood-Actionfilm in Buchform

Dieses Buch spiegelt keine falschen Tatsachen vor, es zeigt ganz unmissverständlich was es ist und was kann. Das beginnt schon beim Umschlag: effektvoll tritt der Titel hervor, plastisch und mit eingelassenen Linien und Löchern, eine Freude für die Fingerkuppen. Oben der breit gedruckte Name des australischen Autors Matthew Reilly, der für Thriller stehen soll, die sich lesen wie ein Actionfilm aus Hollywood. Dazwischen strahlt, vor diffusem grünem Rauch, ein Stein. Wer erwartet da besonders viel Niveau zwischen den Buchdeckeln?

Ein Blick in den Klappentext zersträut alle Zweifel: »Jack West und sein Team aus Spezialisten haben neun Tage Zeit, um die sechs legendären Säulen der Welt zu finden, die zusammen die bedrohliche fremde Sonne abwehren können«. Jack West - gibt es einen Namen, der die Figur eines spröden amerikanischen Helden treffsicherer charakterisieren könnte? Auch der Plot Amerikanischer Ex-Soldat rettet die Erde vor der Apokalypse ist ein beliebtes Thema, in den 90ern oft verkörpert von Bruce Willis (u.a. Armageddon). Ich finde den Action-Film Das fünfte Element ziemlich unterhaltsam (Plot: Amerikanischer Ex-Offizier rettet die Erde vor einem bösartigen Planeten). Um es kurz zu machen: ich erwartete in etwa diesen Film als Buch, minus ein ganzes Stück Niveau.

Und wurde dennoch enttäuscht. Das Buch beginnt mit einem alten Mann, der sich in eine Grube hinablässt (die zwar ein wenig beschrieben wird, die näheren räumlichen Umstände aber überlässt man lieber einer beigefügten Grafik). Er hat einen »weißen Rauschebart« und »wasserblaue Augen, aus denen Wärme und Intelligenz« strahlen und man nennt ihn Wizard, »ein Spitzname, der genau auf ihn zutraf«. Offensichtlich wird dem Leser, vielleicht zu dessen Bequemlichkeit, nicht zugetraut selbst zu erkennen, ob ein Spitzname zutrifft oder ob die Figur sympathisch und intelligent ist - er bekommt es regelrecht aufgezwungen. Der Autor spricht dem Leser das Denken ab.

Wenn man dieses Buch liest, blickt man auf ein zweidimensionales Fernseh-Bild mit Stereo-Ton. Eine willkürlich ausgesuchte Szene lautet so:

Vorsichtig ging er an ihnen vorbei, als plötzlich blitzschnell einer der Wachsoldaten eine Pistole zog und ... Peng! Der Soldat wurde an die Wand geschleudert.

Oder: <> >»Dann hörte man Füße rascheln und trippeln und ... Bamm! Die Notbeleuchtung der Mine ging an.«

Ich könnte ewig fortfahren, z.B. mit »Paaf«, »Wumm« oder »Baam«. Es ist nicht so, dass alle Sätze ein Comic-Wort beinhalten, aber auch ohne werden sie nicht gerade gehaltvoller.

Ich konnte das Buch einfach nicht weiterlesen und tat, da ich noch nicht bereit war ein faires Urteil abzugeben, Folgendes: ich gab das Buch jemandem zu Lesen, von dem ich weiß, dass er genau diese Art Unterhaltungsliteratur mag.

Es sei dumm und platt aber durchaus spannend und einfallsreich, meinte der, als er es mir wiederbrachte, und da es der zweite Teil einer mehrteiligen Serie sei, müsse man damit rechnen, dass man mittendrin einsteigt und irgendwo mittendrin wieder rausgeschmissen wird. Aber man denke nur an die Indiana-Jones-Trilogie: jedes Mal ist der Konflikt am Ende aufgelöst, die Bösen vernichtet, der Held siegreich. Zweimal hält Indiana Jones die weibliche Hauptrolle in den Armen, einmal erhält er den verdienten Respekt des Vaters. Stets ein rundes Ende und ein zufriedener Zuschauer. Das Ende dieses Buchs jedoch rufe keine Zufriedenheit hervor, sondern nur den Wunsch, es in die Ecke zu werfen.

Die Macht der sechs Steine
Veröffentlicht:
Medium:
Buch
Autor:
Matthew Reilly
Verlag:
List
Kommentar:
»Als auch schon - wusch! - ein [...] Brocken vorbeischoss«
ISBN:
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