Die Seidenweberin

Ursula Niehaus über Fiktion und Realität einer Frau im 15. Jahrhundert

Mitte des 15. Jahrhunderts wird Fygen geboren, ihre Mutter verstirbt im Kindbett und der vom Onkel aus Angst vor Rufverlust rasch als Vater eingesetzte Konrad van Bellinghoven wird ein paar Jahre später ermordet. Als Fygen knapp 12 Jahre alt ist wird sie nach Köln geschickt, um dort als Lehrmädchen der Seidenweberei bei ihrer ungnädigen alten Tante zu arbeiten. Sie lernt trotz der schwierigen Umstände schnell und entwickelt sich zu einer schönen jungen Frau, in die sich der reiche und attraktive Seidenhändler Peter Lützenkirchen verliebt. Alles scheint sich prächtig zu entwickeln ...

Die Stoffhändlerin Ursula Niehaus hat einen Roman über die historischen Gegebenheiten ihres eigenen Handwerks geschrieben, die besonders in den Kapiteln zu Fygens Ausbildung sehr eindrucksvoll und lebendig werden. Wie die Autorin im Anschluss des Buches klarstellt, beruht ihre Geschichte auf realen Personen. Fygens Vergangenheit liege ein wenig im Dunkel, erst mit Abschluss ihrer Lehre werde sie als erfolgreiche Seidenweberin in den Kölner Büchern verzeichnet.

Doch genau diese historische Korrektheit bereitet dem Buch Probleme: Fygens fiktive Kindheit und ihre Lehrzeit sind lebendig und spannend beschrieben. Als sie jedoch aus dem "Dunkel ihrer Vergangenheit" heraustritt und zur historisch belegten Figur wird, geht die Spannung und Lebendigkeit der Geschichte verloren. Die Autorin erzählt nun stockend und passagenweise, bricht an spannenden Stellen ab (vielleicht weil die jeweilige Konfliklösung nicht historisch dokumentiert ist), um die Geschichte Wochen, Monate oder Jahre später wieder aufzunehmen.

Die Jahre vergehen immer schneller und reibungsloser und bald wird aus dem detaillierten Einblick in die historische Seidenweberei eine distanzierte Biografie, die die Hauptfigur Fygen bis ins hohe Alter begleitet. Die wenigen Verusche Spannung aufzubauen gehen nicht auf: so wird u.a. der Konflikt um den geheimnisvollen unbekannten Vater, der in Köln leben soll, zu wenig aufrecht erhalten und reizt nicht genug. Spannung und Emotion leiden. Ursula Niehaus schreibt aber herrlich schnörkellos und bildlich, was faszinierende Einblicke in das mittelalterliche Treiben Kölns garantiert.

Die Seidenweberin
Veröffentlicht:
Medium:
Buch
Autor:
Ursula Niehaus
Verlag:
Knaur
ISBN:
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