Ghost

Robert Harris inoffizielle Abrechnung mit Blair und Bush. Polit-Thriller zu Zeiten des »War against Terror«

Der Mann, der die Autobiografie des Ex-Premierministers schreiben sollte, ist tot. Das bringt den Ich-Erzähler ins Spiel, Ghostwriter und Nachfolger des Verstorbenen. Der erzählt nun erstmal, was ihm in London beim Vorstellungsgespräch etc. widerfährt. Das liest sich gut und unverfänglich, bis der Erzählende (gerade seinen neuen Auftrag abwägend) folgendes bemerkt: »In der Sekunde, als ich vor die Tür trat, wusste ich, dass wieder eine Bombe hochgegangen war«. Bombe? Wieder?

Terroranschläge scheinen längst an der Tagesordnung zu sein - um das Thema Krieg gegen den Terrorismus dreht sich in Robert Harris' neuem Buch alles. Der Ghostwriter wird auf die amerikanische Insel Martha's Vineyard gebracht und während der sich dort nichtsahnend Anekdoten aus der Jugendzeit seines Auftraggebers erzählen lässt, geht eine weitere Bombe hoch, diesmal eine politische: Der Ex-Premier droht wegen eines Kriegsverbrechens (die Auslieferung von britischen Staatsbürgern an die USA, wovon einer während einem Verhör stirbt) vom Europäischen Gerichtshof angeklagt zu werden. Der Ghostwriter beginnt in den Unterlagen seines Vorgängers zu stöbern und legt nach und nach einen unermeßlichen politischen Skandal frei ...

Jedes Kapitel beginnt mit dem Zitat eines Ghostwriters, das auf geheimnisvolle Weise die Geschehnisse des Kapitels ankündigt. Nur eines von vielen gelungenen Stilmitteln: Alle Nase lang fällt Harris eine stimmigee Allegorie ein, die Neugier des Lesers wird laufend durch beiläufige Kommentare angeregt (»Wie anders - wie vollkommen anders - wäre mein Leben verlaufen, hätte ich mich nicht [...]«).

Dass Robert Harris sein Handwerk meisterlich beherrscht steht außer Frage. Was den Wirbel um dieses Buch ausgelöst hat, sind die unverhohlenen Anspielungen an aktuelle politische Verhältnisse. Terroranschläge, Krieg im Irak, ein kürzlich aus dem Amt geschiedener Premierminister - die Parallelen sind mehr als nur angedeutet. So werden u.a. Bill und Hillary Clinton als Politiler und reale Personen erwähnt, während der aktuelle Präsident der USA namenlos bzw. der Premierminister a.D. den fiktiven Namen Robert Lang trägt. Nicht nur Gespräche der Buchfiguren sind markant: »Frag mich nur, warum er sich mit diesem verdammten Idioten im Weißen Haus eingelassen hat«, auch die Tatsache, dass Harris einst als Journalist neben Blair eine ähnliche Position eingenommen hat, wie der Ghostwriter neben Adam Lang, ist bezeichnend.

Ein Buch, das den Namen "Pageturner" absolut verdient - ich habe es kaum aus der Hand legen können. Harris gewährt in dieser inoffiziellen Abrechnung mit Blair und Bush einen gründlichen Blick hinter die politischen Kulissen und hat auf den letzen Seiten noch eine Überraschung untergebracht. Spannend, intelligent und mit feinem Spott geschrieben.

Ghost
Veröffentlicht:
Medium:
Buch
Autor:
Robert Harris
Verlag:
Heyne
Kommentar:
Thriller mit Parallelen zur Realität
ISBN:
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