Tijuana Blues

Ohne genau zu wissen welches Genre das Buch bedient und ohne zuvor den Umschlagtext gelesen zu haben (der ohnehin manches verderben kann) habe ich mich nach ca. 80 Seiten sehr gewundert: denn schon war der wahre Mörder gefasst und umfangreich geständig, sodass auch die Hintergründe des Mordes zufriedenstellend aufgeklärt waren. 180 Seiten vor Buchende sind sämtliche Antagonisten, die potentiell in einem aufbauenden Erzählstrang von Relevanz sein könnten (z.B. mit Rachemotivation) bereits tot. Gilt denn hier nicht das Krimiprinzip, das mit dem Mord beginnt und mit der Ergreifung des Mörders endet?

Doch: denn diese Geschichte ist mit der Ergreifung des Mörders tatsächlich abgeschlossen und unser Ermittler, der Anwalt für Menschenrechte Miguel Angel Morgado, nimmt sein nächstes Mandat an und spürt dem nächsten Mörder hinterher. Dies geschieht vier Mal, dann ist das Buch zu Ende - vier in sich abgeschlossene Krimiepisoden mit demselben Ermittler und dessen privatem Umfeld. Anders und spannend ist der Handlungsort: Mexiko, an der Grenze zu den USA. Es treten mexikanische Doñas auf, die Casino-Schuldner hinrichten lassen, US-amerikanische Grenzpolizei, die mit den mexikanischen Kriminellen kooperiert, amouröse Abenteuer, Korruption und Drogenhandel.

Das ist solide, temporeich und schwungvoll, aber nicht ganz holperfrei geschrieben: keine Sätze die in Erinnerung bleiben, genauso wenig wie die Figuren. Aber es ist von einem Mexikaner geschrieben, der durvch Authentizität besticht: Gabriel Trujillo Muñoz wurde in Mexicali im Norden Mexikos, geboren, die Stadt, in der auch seine erste Krimi-Episode spielt. Muñozhat eine Professur in Kommunikationswissenschaften an der Universidad Autónoma de Baja California und gilt als Vertreter der »frontera«, dem Grenzgebiet Mexiko und USA. Genau dieser Hintergrund, diese Authentizität ist es, durch die das Buch neben dem Unterhaltungswert eines Krimis auch einen authentischen Einblick in das politische und gesellschaftliche Grenzgebiet bietet.